Innovative Ansätze in der Lebensmittellogistik
Essen ist ein wichtiger Teil unseres Lebens. Frühstücke ich zu Hause oder bei der Arbeit? Nehme ich mir etwas zum Mittagessen mit, gehe ich zum Lunch mit Kollegen oder ist der Tag so stressig, dass ich auf Mittagessen verzichte und mir stattdessen mein Abendessen nach Hause bestelle?
In Deutschland müssen wir uns als Konsumenten keine Gedanken darüber machen, wie die Lebensmittel eigentlich in den Supermarkt, zum Restaurant oder als fertiges Gericht bis zu uns nach Hause geliefert werden. Allerdings ist großen Teilen der Öffentlichkeit nicht bewusst, welcher Luxus das eigentlich ist.
Lebensmittelverschwendung in Deutschland
In Deutschland werden viel zu viele Lebensmittel weggeworfen. 18 Mio. Tonnen sind es jedes Jahr. Laut Schätzungen der Bundesregierung wirft jeder Bundesbürger jährlich 55kg Lebensmittel in den Müll. Außerdem erreichen viele Lebensmittel noch nicht einmal die Einkaufsregale, denn bei Produzenten, sowie in Handel und Logistik wird durch die Produktion „fehlerhafter“ Produkte und einem durch das generelle Überangebot an Lebensmitteln vieles schon vorher aussortiert und entsorgt.
Doch die Verschwendung von Lebensmitteln ist nicht die einzige Problematik. Die Lebensmittellogistik an sich ist ein komplizierter Prozess. Der Transport, vor allem verderblicher Lebensmittel, ist aufwändig und mit hohen Belastungen für die Umwelt verbunden. Der komplexe Prozess führt dazu, dass Lieferketten oftmals intransparent sind. Immer aufmerksamer werdende Endverbraucher können diese nicht nachvollziehen, erwarten aber heute zunehmend aufgeklärt zu werden, welche Herkunft die Produkte haben und welchen Weg sie zurücklegen mussten.
Ökologische Aspekte der Lebensmittellogistik
In einer gewöhnlichen Lebensmittel-Lieferkette werden die Lebensmittel von ihrer Entstehungsstätte zur Produktion gebracht, von dort weiter über Hersteller, die Ausgangsprodukte weiterverarbeiten, und Zwischenhändler bis in die Supermärkte transportiert. In einem letzten Schritt machen sich die Konsumenten auf den Weg zum Einkaufen. Eine direktere und ökologischere Alternative bestünde beispielsweise darin, die Lebensmittel nach der Produktion in ein großes Lager zu transportieren, von wo diese nach der Online-Bestellung von Konsumenten direkt in die Haushalte geliefert würden. So könnten die Wege von Hersteller über Zwischenhändler und weiter in den Supermarkt sowie der Weg des Konsumenten von zu Hause zum Supermarkt eingespart werden.
Allerdings sind insbesondere die Innenstädte nicht auf so viele Transporter eingestellt. Aufgrund des Paketversands, der auf das wachsende E-Commerce-Geschäft zurückzuführen ist, sind die innerstädtischen Straßen schon heute überfüllt und verstopft. Wenn zusätzlich der E-Commerce der riesigen Lebensmittelindustrie (Deutsche kauften im Jahr 2018 Lebensmittel im Wert von über 200 Mrd. €) über die bisherigen Verkehrswege abzuwickeln wäre, würde sich die Verkehrssituation weiter zuspitzen. Es zeigt sich also, dass es auch hier nicht die eine, richtige Lösung gibt.
Innovative Ansätze innerhalb der Lebensmittelbranche
Im Folgenden werden wir einige neue Unternehmensformen und Transportmöglichkeiten vorstellen, die auf die beschriebenen Problematiken im Bereich der Lebensmittellogistik reagieren:
Der Transportservice DPD Food
Aufgrund des wachsenden E-Commerce Marktes für Lebensmittel hat der Paketzusteller DPD einen eigenen Food-Service ins Leben gerufen. Bekannte Anbieter wie HelloFresh nutzen den Expressversand mit stundengenauer Zustellprognose bereits. Laut DPD sticht der Service durch eine kurze Lieferzeit und dem Predict-Service hervor. Dieser Service ermöglicht den Konsumenten die Bestimmung des genauen Lieferzeitpunktes und die Verfolgung seiner Sendung.
Doch die eigentliche Besonderheit von DPD Food ist der Umgang mit Lebensmitteln, die nicht zugestellt werden konnten. Ein Rücktransport zum Versender macht bei vielen Lebensmitteln keinen Sinn. Daher bietet DPD den Service, dass unzustellbare Lieferungen an die nächstgelegene Tafel geschickt werden, welche die Lebensmittel sinnvoll verwerten können. Auf diese Weise werden zumindest die nicht zugestellten, aber genießbaren, Lebensmittel verwertet, bevor sie verderben.
Das Start-Up SIRPLUS
Die Zahlen sind schockierend: 1,6 Mrd. Tonnen Lebensmittel werden weltweit jährlich verschwendet. Die Produktion dieser 1,6 Mrd. Tonnen verursacht 8 % der durch Menschen verschuldeten Treibhausgase und eine Ackerfläche von der zweifachen Größe der EU wird bewirtschaftet, ohne dass sie in letzter Konsequenz der Ernährung von Menschen dienen würde.
Raphael Fellmer ist Unternehmer und hat 2016 die Supermarktkette „SIRPLUS“ gegründet. Doch SIRPLUS ist kein normaler Supermarkt, sondern verkauft lediglich Lebensmittel, die das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten haben oder welche nicht den allgemeingültigen optischen Standards entsprechen. In den vier Standorten in Berlin sowie dem Onlineshop bietet das Start-Up diese Lebensmittel günstig zum Verkauf an.
So versuchen Fellmer und sein Team das Bewusstsein für Lebensmittel in der Bevölkerung zu stärken und die Einstellung zu verändern. Denn vielen Konsumenten sei nicht bewusst, wie viel Arbeit in einer einzigen Kartoffel oder einer Tomate stecke, so Fellmer.
Transport via Blockchain
Trotz der hohen Verschwendung von Lebensmitteln wandelt sich das Bewusstsein der Konsumenten und immer mehr Leute möchten wissen, woher ihre Lebensmittel kommen. Allerdings ist es oftmals schwer bis unmöglich die einzelnen Schritte einer Lieferkette zu verfolgen.Eine besondere Herausforderung für die Lebensmittellogistik.
Die Commonwealth Bank of Australia hat daher erstmals eine Ladung Mandeln von Australien nach Hamburg via Blockchain verschickt. An dem Container wurden Geräte befestigt, welche stetig die Feuchtigkeit, Temperatur sowie den Standort getrackt und die Werte direkt in die Blockhain eingelesen haben. Jeder mit Zugang zur Blockchain konnte die Lieferbedingungen sowie den aktuellen Standort der Mandeln nachverfolgen.
Insbesondere bei dem Umgang mit verderblichen Lebensmitteln könnte diese Technologie immer wichtiger werden. Zumal QR-Codes auf die Verpackungen im Supermarkt gedruckt werden könnten, mithilfe derer den Konsumenten die Nachverfolgung der Lieferkette ermöglicht würde.
Das Pilotprojekt Cool Runnings
Bei dem Londoner Pilotprojekt „Cool Runnings“ geht es darum, die Emissionen, die bei dem Transport von Lebensmitteln durch LKWs verursacht werden, zu verringern. Dies soll zum einen dadurch gelingen, dass es sich bei dem Cool Runnings LKW um einen E-Transporter handelt, welcher kein CO² produziert. Zum anderen soll die Anzahl der teils unzureichend ausgelasteten LKWs verringert werden, indem Kollaborationen verschiedener Anbieter geschaffen werden. Sollte sich das Konzept durchsetzen, so wäre damit auch eine positive Wirkung auf die Verkehrsdichte zu verzeichnen, weil weniger Vehikel auf den Straßen unterwegs wären.
Der E-LKW verfügt über verschiedene Kammern, welche unterschiedlich gekühlt werden können. So wird sichergestellt, dass die Lebensmittel optimal gelagert werden und so wenig Energie wie möglich verbraucht wird. Und das ist erst der Anfang. Eine Studie mit Messung der Verkehrsströme soll in Zukunft die Routen des LKWs optimieren. Sogar Kollaborationszentren sind geplant, um die Waren auf dem effizientesten Weg ins Stadtzentrum zu transportieren. Zusätzlich sollen LKWs mit unterschiedlichen Nutzlasten verwendet werden, die auf unterschiedliche Bedürfnisse angepasst werden können, um die Lebensmittellogistik zu optimieren.
Doch bei einer umfassenden Realisierung des Pilotprojektes wird auch mit Schwierigkeiten gerechnet, da nicht alle Unternehmen zu einer solchen Zusammenarbeit bereit sein werden. Oftmals werden eigene Lösungen bevorzugt, welche stärker beeinflusst und individuell angepasst werden können. Vergleichbarkeit und Transparenz werden durch eine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter, die keinen Standard gemein haben, erschwert.
Picnic der Onlinesupermarkt
Das 2015 in den Niederlanden gegründete Start-Up hat 2018 nach Deutschland expandiert und beliefert Ende 2018 den Raum Neuss, Teile Düsseldorfs sowie Mönchengladbach. Bei Picnic handelt es sich um einen reinen Online-Supermarkt, in welchem die Kunden ihre Lebensmittel per App bestellen.
Doch was ist das Besondere an Picnic? Bestellt man bis 22 Uhr, werden die Lebensmittel am nächsten Tag geliefert. Im Gegensatz zur Konkurrenz können Kunden zwischen verschiedenen 20minütigen Lieferfenstern entscheiden, in denen sie ihre Ware bekommen möchten. Diese Genauigkeit ist möglich, da die Fahrer eine festgelegte Route abfahren, welche von einem smarten Algorithmus berechnet wird.
Des Weiteren werden die meisten der E-Vans von bei einer Zeitarbeitsfirma angestellten Studenten gefahren. Das spart Kosten. Der Kunde bekommt vor seiner Lieferung eine Nachricht mit der Lieferzeit sowie den Namen und ein Bild des Fahrers angezeigt. Die Lieferung ist kostenlos: Zwar muss der Mindestbestellwert von 25 € erreicht werden, doch die Auslieferung an sich kostet den Kunden nichts.
Status Quo im E-Commerce
Doch wie groß ist eigentlich der Markt für Lebensmittelbestellungen aus dem Internet? In Deutschland handelt es sich bei diesem Geschäftszweig bislang um eine Nische. Nur rund 1,7 % der Lebensmittel werden online verkauft. Das liegt zum einen daran, dass es zwar Angebote wie Amazon Fresh, REWE, Picnic oder HelloFresh gibt, diese jedoch nur mit einem limitierten Sortiment und/oder nicht flächendeckend in Deutschland verfügbar sind.
Zum anderen neigen Menschen dazu sich den bequemsten Weg zu suchen. Die Abdeckung mit Supermärkten ist in Deutschland besonders gut. 76 % der Haushalte erreichen innerhalb von fünf Fahrminuten mindestens einen Lebensmittelladen. Bei einer Bestellung im Internet hingegen muss sichergestellt werden, dass man zur Lieferzeit zu Hause ist. Ist dies nicht der Fall, können viele Lebensmittel nicht bis zum nächsten Auslieferungsversuch gelagert werden.
Eine weitere These lautet, dass Deutsche zwar Artikel wie Toilettenpapier oder Waschmittel im Internet bestellen, aber frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse vor dem Kauf sehen, riechen und fühlen möchten. Daher ist ein Einkauf im Supermarkt oft einfacher, als die Bestellung im Internet.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass es trotz der komplizierten Logistik im Bereich der Lebensmittel Lösungen gibt, die versuchen die Verschwendung von Essen und Belastungen der Umwelt zu verringern. Trotzdem sollte wohl jeder Einzelne daran arbeiten, dass im Jahr 2019 weniger als 18 Mrd. Tonnen Lebensmittel im Müll landen. Das wäre zumindest ein Anfang.
Quellen:
IDG Business Media GmbH (2018): „Studie Arbeitsplatz der Zukunft 2018“
XING (2018): „New Work Trendbook: Die 15 wichtigsten Trends zur Arbeitswelt der Zukunft“
D21 Digital Index 2018/2019: „Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft“
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